Wie ich eines Tages mit meinen Kindern dunkle Geheimnisse in einem Kellergewölbe in Hamburg Wandsbek löste, mit Magiern, Knappen und Heilern verhandelte und am Ende ganz schön übers Ohr gehauen wurde.
Ich stehe in einem dunklen Kellergewölbe. Kein Funken Tageslicht dringt hier hinunter. An den massiven Holztischen um mich herum sitzen vor allem Kinder. Manche tragen Umhänge, manche Schwerter, einige halten eine Laterne in der Hand. Auf den Tischen liegen Karten. Viele Karten. Fein säuberlich zu Häufchen sortiert. Ein Mädchen mit roten Zöpfen kommt auf mich zu: Tauscht du deine Feder?
Ähh ja, Tausche ich? Keine Ahnung. Hilfesuchender Blick zu meinen Jungs (6 und 9), die mich heute auf Recherchereise in die Goblinstadt begleiten. “Ja, Mama, mach mal.”, sag mein Großer. Und zu dem Mädchen gewandt fragt er: Hast du eine Rüstung dafür?” Zack – der Deal ist perfekt. Ich bin um eine Feder ärmer. Mein Sohn um eine Rüstung reicher. Er murmelt etwas von “aufleveln” und ist weg. Ich bin nicht sicher, wer hier jetzt ein gutes Geschäft gemacht hat. Ich wohl eher nicht.
So geht das Spiel:
Aber lasst mich Euch erklären, worum es in dem Live-Rollenspiel “Goblinstadt” geht. Ein Team aus beliebig vielen Spielern (vier ist ideal, weniger auch kein Problem) macht sich zusammen auf die Reise, die Rätsel der Goblinstadt zu lösen. Dafür sucht sich zunächst jeder Spieler einen Charakter aus. Das ideale Team besteht aus
- einem Magier (er hat Licht, was sehr nützlich in der schwach beleuchteten Goblinstadt ist)
- einem Schlitzohr (er kann mit seinen Schlüsseln Türen öffnen),
- einem Knappen (er ist ein Kämpfer und kann das Team beschützen)
- einem Heiler (er hat Verbände und kann Verletzte heilen)
Bei den Spielleitern holt sich das Team seine Aufträge ab. Los geht es ganz einfach. Wir mussten zum Beispiel herausfinden, wie der Juwelier in der Goblinstadt heißt. Ein bisschen durch die dunklen Gänge geirrt, hier und da eine Tür geöffnet und schon hatten wir den Juwelier gefunden. Puh, das war einfach! Schnell zurück zum Spieltresen. Dort raunen wir der Spielleitung unsere Lösung zu. Stolz nehmen meine Jungs ihre Belohnung für den gelösten Auftrag entgegen: Rohstoffkarten! Jeder Charakter erhält spezielle Rohstoffe, die er sammeln muss. Ich als Magier sammele beispielsweise Karten mit Büchern, Federn und Zauberhüten. Mein Sohn, der Knappe, sammelt Karten mit Rüstung, Schild und Schwert. Haben wir fünf Mal das gleiche Symbol, werden wir – Achtung mir bisher unbekannter Rollenspieljargon – “aufgelevelt”.
Kommunikative Goblinstadt
Und jetzt kommt der Punkt, den Eltern natürlich ganz wunderbar finden: Da die Kinder möglichst viele gleiche Kartensymbole brauchen, werden sie findig – und so richtig kommunikativ. Vor den Toren der dunklen Goblinstadt wird gefeilscht und getauscht, was das Zeug hält. Hier, wo sich die massiven Holztische unter den gesammelten Rohstoffkarten nahezu biegen, flitzen Teammitglieder hin und her und versuchen an die fehlenden Karten zu gelangen. Dabei erkennt man die echten Spieleprofis schon von weitem. Ein Junge erzählt uns, er spiele schon seit zwei Jahren in der Goblinstadt. Tatsächlich kann man sein persönliches Spiel im erreichten Level bei einem nächsten Besuch fortsetzen. Mein ältester Sohn findet schnell einen Mentor. Aron ist ein Goblinstadt-Profi. Er führt Listen über seine Rohstoff-Bestände. Mit einem Ferienpass ist er in den Hamburger Herbstferien fast jeden Tag in der Goblinstadt. Und da er reichlich Rohstoffe gebunkert hat, versorgt er meinen Sohn großzügig. “Da kannst du dich gleich zwei Mal aufleveln lassen”, sagt Aron.
“Sich aufleveln lassen” ist tatsächlich ziemlich cool. Ich als Magierin habe zu Beginn des Spiels nur eine relativ kleines Teelicht (es ist natürlich elektrisch betrieben – don’t worry ;). Als ich endlich fünf Zauberhüte am Spieltresen für mein Level 2 abgeben kann, bekomme ich eine handgroße Laterne, mit der ich meinem Team den Weg durch die Goblinstadt viel besser leuchten kann. Mein 9-Jähriger sammelt immer größere Schwerter. Und der 6-Jährige erhält als Schlitzohr mit jedem Level neue Schlüssel, mit dem er uns neue Türen öffnen kann.
So lösen wir Aufträge, die immer kniffliger werden. Wir tauschen Rohstoffkarten mit anderen Spielern. Und da wir uns immer besser kennen, hier in dieser großen Goblinstadt-Community, helfen wir uns auch schon mal in den dunklen Gängen der Stadt. “Kannst du mal für uns leuchten”, fragt mich ein Team ohne Magier. “Habt ihr schon herausgefunden, warum das Haustier vom Professor weg gelaufen ist?” Oder. “Wisst ihr, wer die Blechohrringe beim Juwelier bestellt hat?” Wir kennen mittlerweile das Hotel mit den weichen Betten, die Experimentierstube des Professors und das Reisebüro. Nur eines trauen wir uns dann doch nicht: Das Stadtviertel mit den Monstern zu betreten!
Achtung Monster!
Im Mechanikerviertel der Goblinstadt treiben Orks, Dämonen und andere finstere Gesellen ihr Unwesen. Die Tür zum Mechanikerviertel trägt die bedrohliche Aufschrift “Vorsicht Monster”. Kichernd und kreischend kommen Kinder aus dieser Tür gerannt. Kämpfen ist nur dort erlaubt. Und Kämpfen bedeutet natürlich eigentlich auch nur, dass die Monster die Helden mit ihrem Schwert sanft berühren, erklärt uns Spielleiterin Antonia. Wer berührt wurde, muss vom Heiler verarztet werden, eine Minute auf dem Boden verweilen oder kommt im schlimmsten Fall für zwei Minuten ins Gefängnis. In das friedliche Handelsviertel der Goblinstadt haben Monster keinen Zutritt. Zum Glück!
So können wir in aller Ruhe Aufträge lösen und uns von Level zu Level weiterentwickeln. Nach rund vier Stunden ohne Tageslicht habe ich genug. Mit der Aussicht auf ein Eis versuche ich meine Kinder aus der Goblinstadt zu locken. Aber ein Eis? Jetzt, wo meine Kinder Verhandlungsprofis geworden sind? Und wo sie doch so gerne noch bleiben würden? Wir lösen noch einen Auftrag, wir dikutieren, wir feilschen. Wir lösen einen weiteren Auftrag. Irgendwann darf ich wieder ans Tageslicht.
Ausgetrickst
Wenig später sitzen wir auf der Bank unseres Lieblings-Eisdealers. Meine Jungs schlecken zufrieden ein Zwei-Kugel-Eis. Vor ihnen auf dem Tisch liegen Rohstoff-Karten. Rüstunge, Schilder, Deitriche, Seile, Federn. Denn, da haben meine Jungs gut aufgepasst: Die gesammelten Karten darf man mit nach Hause nehmen. Wozu? Na, das ist doch klar: Um beim nächsten Mal mit ihnen weiter zu spielen.
“Ach Mama, das ist echt voll cool von Dir, dass wir jetzt in jeden Ferien einen Tag in die Goblinstadt gehen können.”
Äh, ja. Vielleicht lerne ich dort eines Tages, besser zu verhandelen.
Goblinstadt
Wandsbeker Zollstraße 25 – 29
Eingang Wendemuthstraße 1
22041 Hamburg
Altersempfehlung: Ab 6 Jahren
Tipps zur Verpflegung: Knabberein und Getränke dürfen mitgebracht werden. Es gibt auch einen Kiosk mit relativ günstigen Snacks und Getränken, Gratis-Café und Pizza.