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Besitz macht unglücklich

Kuscheltier Maus Manni Maus Haspa ahoikinder

Kinder sind ja die wahren Lehrmeister des Lebens. Durch meine Kinder jedenfalls habe ich so manche tiefe Wahrheit des Lebens gut spürbar erlernt . Heute: Besitz macht unglücklich!

Kuscheltier Maus Manni Maus Haspa ahoikinder

Heute ist ein ganz normaler Donnerstag. Wobei: Nein, eigentlich ist heute ein besonders entspannter Donnerstag. Denn: Wir haben nichts vor. Die Kinder haben kein Nachmittagsprogramm. Keiner ist verabredet, keiner hat Musikunterricht, keiner muss irgendwann irgendwo hingebracht oder wieder abgeholt werden. Es ist sogar ganz besonders entspannt, weil ich unseren Hamburger Knirps (4) schon richtig früh aus der Kita abgeholt habe und wir alle schon zuhause sind, als der große Bruder (6) um 15 Uhr aus der Schule nach Hause kommt.

 Wir trinken Chai Tee, wir essen Äpfel und jeder geht so seinen Geschäften nach, als auf einmal der Hamburger Jung mit seinem prall gefüllten Brustbeutel ins Wohnzimmer platzt: “Können wir heute zur Bank gehen? Ich will mein Geld wegbringen.” Klar können wir, denke ich mir. Ein kleiner Ausflug ist doch nett. Mal nichts vorhaben ist zwar schön, aber um nur zuhause rumhängen ist der  Nachmittag dann doch zu lang. Also klar, warum nicht. Machen wir doch einen gemütlichen Spaziergang zur Bank und bringen endlich das Ersparte weg. 

Alles ist gut.

Wir ziehen uns zufrieden und ohne jede Hektik die Jacken an. Sogar die Hamburger Deern (fast 1) lässt sich heute problemlos in ihren Softshell-Anzug zwängen. Und dann gehen wir los. Ich erzähle meinen Jungs Geschichten aus meiner Kindheit. Der Knirps balanciert auf Mäuerchen. Der Jung erzählt aus der Schule. Die Baby Deern krakeelt fröhlich aus ihrem Buggy und winkt zufrieden, wann immer uns menschlicher Gegenverkehr begegnet. Alles ist gut.

Wir erreichen die Bank und durchqueren die Filiale bis zum Schalter mit der Aufschrift “Kasse”. Eine freundliche Mitarbeiterin nimmt sich unserer umgehend an. Das sei aber toll, dass der junge Mann sein Erspartes aufs Konto bringen wolle. Sie lässt ihn sein Geld auf ein Tablett schütten, zeigt ihm die neue Zählmaschine, kippt die Münzen hinein und lässt ihn in aller Ruhe die Zahlen ablesen. Von hinten nähert sich unbemerkt ein weiterer Mitarbeiter und überreicht der Baby Deern eine Kuschelmaus, die ungefähr halb so groß ist wie unsere Jüngste selbst. Ach, wie nett, denke ich. Natürlich bekommen beide Jungs ebenfalls eine Maus. “Das ist aber sehr nett”, sage ich jetzt zu dem Bankangestellten. 

“Das will ich aber nicht!”

Der Hamburger Jung ist noch an der Kasse beschäftigt, da zieht der Knirps schon an mir. “Mama, kannst du die Maus auspacken?”, fordert er mehr als dass er wirklich fragt. “Klar.” Ich befreie die Maus aus der Plastikfolie. Jetzt muss ich auch zur Kasse und dafür sorgen, dass das Geld auf dem richtigen Konto gut geschrieben wird. Der Knirps steht schon wieder neben mir. “Mama, warum hat die Maus da ein Band? Kann man sie aufhängen?” “Wenn man das möchte, kann man das”, sage ich freundlich. “Das will ich aber nicht”, heult mein Zweiter beinahe los. “Das musst du doch auch nicht”, versuche ich ihn zu beruhigen. Er bleibt neben mir und weiß scheinbar nicht, ob er sich jetzt freuen oder doch losheulen soll.

“Haben Sie noch einen CD-Player zuhause?”, bringt die Frau an der Kasse uns auf andere Gedanken. “Ja klar”, sage ich. Dann hat sie noch etwas für uns. Ein Hörspiel mit Abenteuern von der Maus. Wie nett! Ich drücke sie schnell dem Knirps in die Hand. “Hier schau mal, gib die mal deinem großen Bruder. Das ist ein Geschenk. Ihr könnt euch die CD gemeinsam anhören.” Mein Knirps strahlt. Er liebt Hörbücher. Und rennt schnell zu seinem großen Bruder. Der steht wieder gebannt bei der Zählmaschine.

Die Baby-Deern schmeißt mittlerweile zum vierten Mal die Maus aus dem Wagen. Ich hebe das große Kuscheltier zum vierten Mal wieder auf. “Wir wollen jetzt los, rufe ich meinen Jungs zu.” Der Knirps war ohnehin schon fast an meiner Seite. Das Hörspiel hat sein großer Bruder ihm abgenommen. Er hält mir die Maus unter die Nase und zeigt auf die Schlaufe an ihrem Kopf. “Mama, kannst du das Band abschneiden”. “Ja, klar”, sage ich. “Mama, jetzt! Kannst du es jetzt abschneiden?, schiebt er schon wieder mit brüchiger Stimme hinterer. “Nein, mein Schatz, ich habe jetzt keine Schere. Wir machen es zuhause. “Mama, das Band soll ab”, heult er. “Wir schneiden es ab. Zuhause”, sage ich.

Einatmen. Ausatmen.

Die Katastrophe mit dem falsch abknickenden Ohr

Wir haben die Bank noch gar nicht ganz verlassen, da fällt dem Knirps ein weiteres Defizit an seiner Maus auf. “Mama, schau mal das Ohr!” Tatsächlich fällt ein süßes Mauseohr nach vorne, während das andere etwas abgeknickt nach hinten weist. Wahrscheinlich hat irgendjemand das Mäuschen etwas unachtsam in den Schrank gelegt und dabei ein Ohr abgeknickt. “Das macht doch nicht, versuche ich es und weiß natürlich schon längst, dass das sehr wohl etwas macht.

Dass das eine KATASTROPHE ist.

“Mama, das soll nicht so sein!”

“Wir können das Ohr bestimmt zurück knicken.”, sage ich und ärgere mich fast schon selbst über meine unendliche Bereitschaft, die für meinen Sohn unperfekte Welt perfekt machen zu wollen. Schau mal so. Im Gehen klemme ich die Maus im Verdeck des Kinderwagens ein. Ihr rechtes Ohr klemme ich dabei mit nach vorne.

Böser Fehler.

“Neiiin! Du sollst die  Maus da nicht einklemmen”, schreit es mir von unten entgegen.

Wortlos ziehe ich die Maus aus dem Verdeck und händige sie dem Knirps wieder aus. 

Der Jung kommt von der Seite angesprungen, rempelt seinen kleinen Bruder an und leiert im schönsten Nervensägen-Ton: “Das ist mein Hörspiel, du darfst nicht mithören.”

Ein Gefühl fürs perfekte Timing hat er ja.

Der Knirps ist jetzt sichtlich aus der Bahn geworfen. Offensichtlich weiß er gar nicht, was jetzt schlimmer ist. Dass das Mauseohr nach hinten abknickt oder dass sein Bruder ihn nicht mithören lassen will.

Er tut mir so leid, dass ich es noch einmal versuche: “Weißt du was, wir können das Ohr zuhause nach vorne bügeln. Mit etwas warmen Dampf hält es bestimmt.”

“Die Ohren sollen aber beide so abstehen”, setzt der Knirps jetzt noch einen drauf. Und während er das sagt, zieht er an beiden Ohren so, dass sie senkrecht vom Mäusekopf abstehen.

“Aber mein Schatz, das geht nicht”, versuche ich es noch einmal mit aller Rest-Geduld, die ich noch aufbringen kann. “Die Ohren werden immer entweder vor- oder zurückfallen. Ansonsten hätte man Draht durch die Ohren spannen müssen.”

“Du bestimmst nicht über meine Maus!”,

kreischt der Knirps jetzt unvermittelt los.

Ich gebe auf. Ich atme ein. Ich atme aus. 

Ich denke. an den Film Fight Club. “Die Dinge, die du besitzt, werden letztlich dich besitzen”, heißt es dort. 

Ich bin jetzt wirklich genervt. Aber hey, ich bin die Erwachsene und wenn ich eines spüre, dann ist es, dass der Kummer meines Sohnes echt ist. “Jetzt hör auf wegen diesen Ohren zu jammern, das ist doch nun wirklich egal”, würde ich zwar gerne sagen, aber für ihn ist es nunmal wichtig. Dennoch kommen wir hier nicht weiter. Da hilft nur eines. Ablenken. Das Thema von einer anderen Seite beleuchten.

Mit einer Selbstbeherrschung, die mir weißgott nicht in jedem Moment gelingt, gehe ich also über diesen Schreianfall hinweg und sage statt dessen: “Soll ich Euch mal eine Geschichte von einer Maus erzählen?! Na klar soll ich. Meine Jungs wollen immer Geschichten hören. Und so erzähle ich die Geschichte von Manni, der Maus, die zusammen mit vielen anderen Mäusen in einem dunklen Schrank liegt. Manchmal, nur manchmal wird der Schrank geöffnet, eine Maus wird herausgeholt und an ein Kind übergeben. Dieses Kind nimmt die Maus mit zu sich nach Hause und das freudlose Dasein im Mäuseschrank hat endlich ein Ende. Aber Manni wartet und wartet. Er möchte auch so gerne zu einem Kind! Und endlich, als er schon fast nicht mehr daran geglaubt hat, kommt es tatsächlich. Sein Kind! Es befreit ihn aus der Platikfolie, drückt ihn fest an sich und nimmt ihn mit zu sich nach Hause. Selbstredend, dass die beiden beste Freunde werden. 

Sie fiepsen, sie krabbeln, sie wollen Käse zum Abendessen

Oh, da strahlen meine Jungs. Beide drücken ihre Mäuschen fest an sich. Wer wird da schon über falsch abknickende Ohren schimpfen? 

Die letzten Stunden des Tages habe ich vier fröhliche Mäuse zuhause (eigentlich sogar fünf, denn das Mäuschen von der Hamburger Deern ist ja auch noch da). Sie fiepsen und krabbeln, Sie verstecken sich vor der Katze. Sie wollen alle Käse zum Abendbrot essen.

In der Nacht kommt der Knirps zu uns ins Bett. Das macht er immer. Normalerweise still und unbemerkt. Irgendwann ist er einfach da. Heute flüstert er, als er ins Bett hinein krabbelt: “Mama, ich hab meine Maus mitgebracht.” “Fein”, sage ich und schlafe wieder ein.

Er schluchzt: “Mama, meine Maus ist weg!”

Etwas später werde ich erneut geweckt. Der Knirps ist nicht mehr im Bett. Er krabbelt über den Fußboden. Er schluchzt. “Mama, meine Maus ist weg!!” Wir finden sie, sage ich schlaftrunken und denke wieder an Fight Club. “Die Dinge werden dich besitzen …” Kann ich das Licht anmachen?! Neiiiin, rufe ich nun alarmiert und schon deutlich wacher. “Das Licht würde das Baby wecken. Wir finden Manni Maus auch im Dunkeln, sollst sehen.” Ich suche, ich taste. ich finde die Maus. Ich übergeben sie dem Knirps. Er schläft glücklich ein.

Wenig später weckt mich erneut die Stimme des 4-Järhigen. Er weint. “Mama, ich habe von einer Katze geträumt. Sie wollte meine Maus fressen.”

Ich atme ein, ich atme aus.

“Hier ist keine Katze. Es war nur ein Traum. Deine Maus ist in Sicherheit. Schlaf weiter.”

Es ist 5.30 Uhr. Langsam räkelt sich unser Baby neben mir. Fast schlafe ich dennoch wieder ein. Es ist warm, es ist kuschlig, das Baby ist zufrieden. Da krakeelt auf einmal eine Stimme neben mir:

“MAMA, nimm das Baby weg, sie will meine Maus anlutschen.”

Ich atme ein, ich atme aus. 

Ich denke: Die Buddhisten wussten es schon immer. Besitz ist der Beginn jeden Leidens.

 

 

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