Am Wochenende hatten wir das Glück, zur Eröffnung des Kinderkursfilmfestivals Mo & Friese in den Zeise-Hallen eingeladen zu sein. Warum es sich lohnt, schon kleine Kinder mit Filmkunst zu konfrontieren.
Kurz vor Start des diesjährigen Hamburger Filmfestivals wurde ich doch noch mal nervös. War es richtig gewesen unserem 5-Jährigen einen exklusiven Kino-Nachmittag mit Mama zu versprechen und hier her zu kommen?
Mögen Kinder Kurzfilme?
Als Familie waren wir bisher nicht besonders kinoaffin. Klar, der Hamburger Papa und ich lieben gute Filme. Aber einen Fernseher findet man in unserem Wohnzimmer nur nach genauer Suche – hinter der Couch. Hervorgeholt wird er, wenn ausnahmsweise mal geschaut wird. Und so kennt unser 5-Jähriger auch bisher genau 5 Filme: Die Astrid-Lindgren-Klassiker Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga und Wir Kinder aus Bullerbü, außerdem Jim Knopf und Heidi. Wenn er davon mal eine Folge sehen darf, sitzt er gebannt auf der Couch und findet es großartig. Und grausam, dass seine fiesen Eltern nach 20 Minuten den Fernseher abschalten.
Nun also sitzen wir hier im Kino und schauen uns fünf Kurzfilme an. Kurzfilme! Die finde ich ja selbst als erwachsene Kinoliebhaberin manchmal etwas schwierig. Kaum hat man sich in eine Geschichte eingefunden, ist sie auch schon vorbei. Und die nächste fängt an. Kann gut sein, muss aber auch wirklich gut gemacht sein. Wird der Hamburger Jung also enttäuscht von seinem Kinobesuch sein? Ist er zu jung? Hätte ich ihn vielleicht glücklicher mit einer Folge Pippi Langstrumpf gemacht?
Von Bäumen, die auf Reisen gehen und einem Knaben-Chor, der Schabernack treibt
Mitnichten! Zunächst einmal ist die Eröffnung des Kinderkurzfilmfestivals durchaus feierlich. Es gibt eine Moderation, die Kinderjury-Mitglieder werden vorgestellt und es wird ein Ausblick auf eine Woche Festivalprogramm in vielen Kinos und Stadtteilzentren in Hamburg gegeben. Dann heißt es “Film ab”. Gezeigt werden fünf Filme zum Thema Bewegung.
Knöpfe sausen umher im russischen Animationsfilm “Vorsicht beim Einsteigen”. Im französischen Animationsfilm “One, Two, Tree” geht ein Baum auf Reisen – dafür hat er nämlich gefunden, was ihm bislang immer fehlte: ein Paar Stiefel. Und im Vorjahres-Sieger-Film “Ziazan”, ein Kurzspielfilm aus der Türkei und Armenien, macht sich ein kleines Mädchen auf eine abenteuerliche Reise in ein fremdes Land, eingeschmuggelt in einem Koffer, um Schokolade zu kaufen. Herzerwärmend!
Am meisten überrascht hat mich der Animations-Film “Chorausflug” aus Lettland. Beziehungsweise nicht der Film hat mich überrascht, sondern die Reaktion des Hamburger Jung auf diesen Film. Erzählt wird die Geschichte eines Knaben-Chors, der mit seiner strengen Chorleiterin auf Reisen geht. Als die Chorleiterin im Fahrstuhl stecken bleibt, sind die Jungs allein und können endlich tun, was sie möchten. Die Geschichte wird mit Farben, Formen und Tönen erzählt und kommt ganz ohne Dialoge aus. Der Knabenchor ist eine geometrische Masse, die hin und her wabert. Die Chorleiterin ist eine knallrote geometrische Form, die hervorsticht. Hätte ich diesen verrückten, chaotischen und ja, durchaus lustigen Film alleine gesehen, hätte ich mich amüsiert, aber ich hätte gesagt: Damit ist ein 5-Jähriger überfordert. Er wird sich langweilen. Er wird das nicht verstehen. Viel zu abstrakt!
Aber: Nichts da! Der 5-Jährige saß im Kinosessel und kam aus dem Kichern gar nicht mehr heraus. Er hat sich schlapp gelacht. Und summt noch heute die Melodie des Knabenchors.
Er hat mir eine Lektion erteilt, mein 5-Jähriger. Darüber, wie unglaublich offen Kinder sind. Wie schön es ist, sie mit etwas Neuem zu konfrontieren und einfach abzuwarten, was passiert. Darüber wie frei Kunst für Kinder sein kann. Ich bin sicher, er hat nicht das gleiche gesehen wie ich, aber er hat etwas gesehen, was ihn berührt und bestens unterhalten hat. Das gilt übrigens nicht nur für den Chorausflug, sondern für alle gezeigten Kurzfilme.
Das Kinderkurzfilmfestival läuft noch bis Sonntag, 5. Juni. Für kleine Kinozuschauer empfehle ich Euch die Kurzfilm-Reihen
- Gegen den Strom (ab 4 Jahren), Freitag im 3001 und Samstag im Zeise. Da könnt ihr auch nochmal den französischen Film “One, Two, Tree” sehen
- den Kurzfilmwettbewerb zum Thema “Absolute Giganten” (ab 6 Jahren), Samstag im Zeise Kino,
- Traumfänger (ab 6 Jahren), Donnerstag im 3001 Kino
- Tierreich (ab 6 Jahren), Freitag im Zeise und Sonntag im 3001 Kino
Das genau Programm findet ihr hier.