Von der Zahnfee und dem unfassbaren Gefühl von Stolz, den eine Lücke im Gebiss hinterlässt.
Der Hamburger Jung hat einen Wackelzahn. Oder nein. Richtig muss es heißen: Der Hamburger Jung hatte einen Wackelzahn. Jetzt hat er eine Zahnlücke. Und sie ist für ihn der Inbegriff von Großsein.
Seitdem unser Sohn in die Kita geht, sind die Wackelzähne in unser Leben getreten. Wackelzähne haben die großen, die Vorschulkinder. Wer eine Zahnlücke hat, darf mit gutem Recht die Chef-Position der Kitagruppe beantragen. Und sie dann mit den anderen Zahnlosen auskämpfen.
Der erste Wackelzahn und warum ein offener Mund auf einmal salonfähig ist
Kurz vor Weihnachten war es dann auch beim Hamburger Jung (5) so weit. Ein Milchzahn wackelte. Und auch der Hamburger Jung wackelte. Er wackelte morgens, mittags, abends und zu jeder Zeit dazwischen – an seinem Zahn. Irgendwann stand das arme Milchzähnchen ganz schief im Mund. Das nahm der Hamburger Jung zum Anlass, auch entfernten Bekannten, allen Nachbarn und dem Kaffeeverkäufer auf dem Wochenmarkt seinen weit geöffneten Mund zu präsentieren.
Drei Tage nach dem Heiligen Abend passierte es dann: Der Zahn fiel raus. Abends im Bett. Als der Hamburger Jung gerade das Licht gelöscht hatte. Was für eine Aufregung. An Schlaf war natürlich nicht mehr zu denken. Ich bestaunte die Zahnlücke, ich holte eine Dose für den Zahn, ich bestaunte wieder die Zahnlücke, ich holte den Hamburger Papa ins Kinderzimmer, damit auch er die Zahnlücke bestaunen konnte. Es wurde 21 Uhr. Ich holte ein Hörspiel. Es wurde 22 Uhr. Wir staunten noch einmal alle zusammen und sagen, dass nun wirklich geschlafen werde müsse. Denn sonst sei der Hamburger Jung am nächsten Morgen viel zu müde, um in die Kita zu gehen. Und könne seinen Freunden die Zahnlücke nicht zeigen.
Hah! Das hatte gesessen. Das Licht wurde gelöscht. Der Hamburger Jung schlief ein. Seine Zahndose fest in der Hand.
Die Sache mit der Zahnfee
Musste nun nicht nach guter Tradition die Zahnfee kommen? Eigentlich schon. Aber der Hamburger Jung bestand darauf, seinen Zahn behalten zu wollen. Wir sagten ihm, dass das völlig in Ordnung sei. Wenn er eines Tages doch wolle, dass die Zahnfee käme, um ihm ein Geschenk zu bringen. Dann sollte er die Dose mit seinem Milchzahn einfach auf unseren Schuhschrank stellen. Das würde die Zahnfee verstehen. Und bis dahin würde sie einfach andere Wackelzähne abholen.
Zwei Tage lief der Hamburger Jung mit seiner Zahndose herum. Dann wollte er doch lieber ein Geschenk von der Zahnfee. Das Döschen wurde vor dem Schlafengehen auf dem vereinbarten Schrank bereitgestellt. Alles andere wurde umsichtig beiseite gerückt, damit auch ausreichend Platz für das Geschenk vorhanden sei. Einen Wunsch hatte er auch: Lego Star Wars.
Andere Eltern hätten mittlerweile vielleicht ein Geschenk besorgt gehabt. Wir nicht. Und um 20 Uhr gab es auch kein Lego Star Wars mehr zu kaufen. Wir nahmen also ein Geschenk, das in unserem Schrank schon lange auf den richtigen Anlass gewartet hatte. Einen Hubschrauber von Brio zum selbst Zusammenbauen. Dazu schrieb die Zahnfee einen langen Brief. Davon, wie groß der Hamburger Jung jetzt schon sei. Davon, dass sie leider kein Lego Star Wars mehr in ihrer Zahnfee-Werkstatt gehabt hätte. Und davon, dass sie dafür ein anderes tolles Geschenk für richtig große Jungs mitgebracht hätte. So toll und so groß, dass sie leider nicht nach jedem weiteren Zahn vorbeikommen könnte. Aber: Wenn er vier Zähne zusammen habe, dann dürfe er die Dose noch einmal aufstellen. Und dann würde sie wieder kommen und ein Geschenk bringen.
Das Zähnchen hat die Zahnfee dem Hamburger Jung übrigens da gelassen. Sie wusste, dass er seine Milchzähne so gerne selbst sammeln möchte. In ihrem Brief steht: Verwahre sie gut! Denn sie sind etwas ganz Besonderes!
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